Einsatzszenarien
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Einsatzkategorien für E-Prüfungen im Campus Assessment
Bereits vor Beginn eines Studiums können Studieninteressierte mit Hilfe von Online Self Assessments die Bearbeitung typischer Fragestellungen des gewünschten Studienbereichs erproben. Studienberatungsstellen können mit elektronischen Tests die Stärken und Schwächen ihrer Kandidaten identifizieren und auf dieser Grundlage passende Ratschläge für die Wahl eines geeigneten Studienfachs geben. E-Prüfungen müssen traditionelle mündliche oder schriftliche Prüfungen aber nicht zwingend ersetzen, sondern können die Hochschullehre im Sinne von Blended Learning sinnvoll ergänzen und damit zur Steigerung ihrer Qualität beitragen. Zulassungstests können z.B. Kenntnisse sicherstellen, die für weiterführende Veranstaltungen unerlässlich sind, Einstufungstests helfen hingegen bei der Auswahl geeigneter Kurse. Formatives Prüfen begleitet den Lernprozess kontinuierlich und kann z.B. im Übungsbetrieb dazu beitragen, das Lernen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Summatives Prüfen dient auf der anderen Seite der abschließenden Bewertung des Lernerfolgs, z.B. durch elektronische Klausuren. Durch den Einsatz von Blended Assessment (z.B. elektronische Prüfung + praktische Prüfung) können sie Vorteile verschiedener Formate kombiniert werden.[1] Zur begleitenden Qualitätssicherung ist weiterhin der Einsatz elektronischer Lehrevaluationen denkbar oder der Aufbau elektronischer Klausurenschränke, die bei der Prüfungsvorbereitung helfen können. Die folgenden Abschnitte gehen auf die einzelnen Szenarien näher ein.
Online Self Assessments zur Studienberatung und Studienorientierung
Die zentralen Studienberatungsstellen der Hochschulen haben die Aufgabe, Schülern und Studieninteressierten Orientierung bei der Studien- und Berufswahl zu geben. Dies trifft insbesondere auf Hochschulen zu, die ihr Profil auf eine möglichst gute Betreuung von Studienbewerbern und Studierenden ausrichten. Um eine fundierte Beratung zu gewährleisten, sind Stärken und Schwächen der Kandidaten zu analysieren, Handlungsempfehlungen zu geben und Alternativen aufzuzeigen. Mit Hilfe von Studierfähigkeitstests können z.B. Schulabgänger ihr Interesse und Talent für verschiedene Fächer überprüfen. Sie können studiengangsnahe Aufgaben ausprobieren und feststellen, ob sie Spaß an der Bearbeitung dieser oder ähnlicher Themen haben. Permanente Rückmeldungen können über das Verhältnis von Eignung und Neigung informieren. Elektronische Systeme können somit als Orientierungs- oder Entscheidungshilfe dienen, um zu einer Studien- und Berufswahl zu kommen, oder als Analysegrundlage zur Studienberatung genutzt werden [2].
Beispiele:
- Visopoly der Uni Oldenburg
- Study-Service der HoNürnberg
- Selbsttest der Uni Hannover
- Virtuelle Studienberatung der Hochschule Niederrhein
Elektronische Zulassungs- und Einstufungstests
Verschiedene Veranstaltungen, Module oder Studiengänge können beschränkt sein, weil z.B. einer großen Zahl an Studierenden eine geringere Zahl an Labor- oder Betreuungsplätzen gegenübersteht. In diesem Fall muss eine Vorauswahl aus den Bewerbern getroffen werden. Aufgrund ihrer Autonomie dürfen die Hochschulen ihre Studierenden nach eigenen Kriterien selbst aussuchen. Zu diesem Zweck und um die Qualität der Lehre sicherzustellen (und z.B. die Quote der Abbrecher zu reduzieren) können sie Studierfähigkeitstests oder Studieneingangstests durchführen und in diese Auswahl einbeziehen, u.a. beschrieben von [3]. Dabei handelt es sich um prognostische Prüfungen, die Hinweise auf den zu erwartenden Lernerfolg eines Bewerbers oder Kandidaten liefern sollen. Ein Beispiel ist der Test für medizinische Studiengänge, dessen Resultate in die Studienplatzvergabe einfließen. Entsprechende Zulassungstests können ebenfalls elektronisch bereitgestellt und abgewickelt werden. So wird zum Beispiel an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover seit 2006 ein psychologischer Motivationstest als elektronische Prüfung mit 180 Items im Rahmen des Auswahlverfahrens der Hochschule durchgeführt.[4]
Darüber hinaus gibt es Veranstaltungen, die bestimmtes Grundlagenwissen oder sprachliche Grundkenntnisse voraussetzen, damit Studierende den Inhalten folgen bzw. darauf aufbauend mitarbeiten können. Auch hier kann mit Hilfe elektronischer Tests das Vorhandensein des notwendigen Wissens als Voraussetzung zur Teilnahme sichergestellt werden. Um bei verschiedenen Schwierigkeitsgraden einen geeigneten Kurs zu finden, haben sich im Bereich der Sprachzentren sogenannte C-Tests durchgesetzt. Dabei liegen nach einem bestimmten Verfahren, dem sog. C-Prinzip, beschädigte Texte als Lückentexte vor, die ein Prüfling dann in einer vorgegebenen Zeit korrekt ergänzen muss. Das jeweilige Ergebnis sagt etwas über die Sprachfähigkeit der getesteten Person aus und kann z.B. als Einstufungstest zur Ermittlung eines geeigneten Kurses verwendet werden.
Beispiele:
Vorauswahlverfahren für Ausbildungsplätze
Neben Studierenden bilden Hochschulen auch Auszubildende im nicht-akademischen Bereich aus, z.B. in Verwaltung, Rechenzentrum oder angegliederten Werkstätten. Hier steht eine große Zahl an Bewerbern einer geringen Zahl an Ausbildungsplätzen gegenüber. Aufgrund der Menge an Bewerbern müssen die Hochschulen vorab auswählen, wer überhaupt in Frage kommt und zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden soll. Mit Hilfe elektronischer Testverfahren können Hochschulen z.B. notwendiges Grundlagenwissen abfragen, das Bewerber für einen erfolgreichen Ausbildungsstart brauchen. Gleichzeitig erhalten sie darüber einen ersten Eindruck der Kandidaten, was wiederum dazu beiträgt, diese Auswahl zu erleichtern. Das Thema des Einsatzes elektronischer Werkzeuge zum E-Recruitment behandeln z.B. [5], auf ihre Anwendung im wirtschaftlichen Bereich gehen [6] näher ein.
Formative E-Prüfungen
Eine formative Prüfung begleitet den Lehr-/Lernprozess als Zwischenmessung und dient der Feststellung des bereits erzielten Lernergebnisses. Mit ihrer Hilfe kann z.B. ermittelt werden, welche Themen oder Aspekte bereits verstanden wurden und wo noch Lücken oder Unsicherheiten bestehen. Sie ist damit eine Grundlage zur Steuerung des Lehr-/Lernprozesses. Lehrende können darüber feststellen, was sie als bekannt voraussetzen dürfen und verstärkt auf Bereiche eingehen, in denen noch Unsicherheiten bestehen. Auf diese Weise passen sie den Lehr-/Lernprozess stärker an Erfordernisse der Lernenden an und optimieren gleichzeitig ihr Zeitmanagement. Im Hochschulbereich werden Lehrveranstaltungen häufig von formativen Prüfungen begleitet. Man findet sie vor allem im Übungsbetrieb, aber auch als motivierende Quizzes, zur Vor-, Nachbereitung und bei der Durchführung von Veranstaltungen oder als Zwischentests in E-Learning-Einheiten.
Motivierende Quizzes
Lehrende können Quizzes anbieten, die z.B. in Form kurzer, schnell zu bearbeitender Multiple-Choice-Tests wesentliche Inhalte einer vorangegangenen Veranstaltung aufgreifen. Quizzes sind i.d.R. freiwillig, teilnehmende Studierende bleiben anonym. Auf diese Weise werden zwei Dinge erreicht: auf der einen Seite können motivierte Lernende die besprochene Thematik noch einmal wiederholen, schnell überprüfen, ob sie wesentliche Inhalte verstanden haben und erhalten einen weiteren Ansatzpunkt zur Vertiefung. Auf der anderen Seite erhält ein Dozent durch die statistische Auswertung der Ergebnisse ein erstes und aufgrund der Anonymität und Freiwilligkeit ehrliches Feedback zum Verständnis bei den Lernenden. Entsprechende Quizzes werden gerne angenommen, da sie motivierend wirken. Ein Feedback erfolgt unmittelbar im Anschluss, da korrekte Lösungen vorgegeben sind, die Auswertung der Antworten automatisiert erfolgt und keine Notenskala eingestellt werden muss. Zudem sind Quizzes für regelmäßige Veranstaltungen problemlos wiederverwendbar, da Kopieren oder Abschreiben der Fragen/Antworten aus vorangegangenen Semestern keinen Vorteil mit sich bringt – außer dass sich die Studierenden außerhalb der Veranstaltung noch einmal mit den Inhalten beschäftigen, was aber durch das Quiz gewünscht war. Mit Einsatz dieses Szenarios stellt ein Lehrender den Studierenden einen zusätzlichen elektronischen Kanal zur Aufnahme von Inhalten bereit, so dass diese den für sich sinnvollsten Kanal selbst aussuchen können.
Regelmäßige Übungsaufgaben, E-Übungen
<video type="youtube2" id="jzq92bHIJms" width="500" desc="Elektronische Übungen/Prüfungen an der Hochschule Ostfalia"/> Bei regelmäßigen Veranstaltungen mit zugehörigem Übungsbetrieb, z.B. der klassischen Kombination aus Vorlesung und Übung, bearbeiten die Studierenden Übungsaufgaben, um Inhalte einer zugehörigen Veranstaltung zu vertiefen und sich ggf. zur Teilnahme an einer abschließenden Klausur zu qualifizieren. Anhand der bearbeiteten Aufgaben erhalten die Lehrenden Feedback, welche Inhalte verstanden wurden und welche in einer der folgenden Veranstaltungen noch einmal wiederholt oder vertieft werden sollten. Die Bearbeitung der Übungsaufgaben erfolgt regelmäßig im Rahmen einer Veranstaltungsreihe. Mit dieser formativen Form der Prüfung kann der Wissensstand der Studierenden jeweils individuell ermittelt und bewertet werden. Ein wesentlicher Vorteil elektronischer Übungsaufgaben ist das schnelle Feedback. Studierende erhalten direkt die Rückmeldung, welche Fragen sie richtig oder falsch beantwortet haben und können - falls Inhalte unklar bleiben - diese in einer folgenden Veranstaltung ansprechen. Lehrende hingegen bekommen bereits vor einer Veranstaltung einen Überblick über die Ergebnisse und können entsprechend reagieren, d.h. nicht-verstandene Inhalte wiederholen oder vertiefen bzw. zu Folgethemen übergehen, wenn Inhalte schneller als erwartet verstanden wurden [7]. Bei "klassischen" Übungen hingegen vergehen i.d.R. ein bis zwei Wochen, bis Tutoren die Papier-basierten Abgaben kontrolliert, im Rahmen von Tutorien mit den Studierenden besprochen und die Lehrenden über die Ergebnisse informiert haben. Durch Einsatz elektronischer Verfahren kann man den Studierenden leichter als bisher die Möglichkeit einräumen, falsch gelöste Übungsaufgaben noch einmal zu bearbeiten (z.B. mit anderen Grundwerten) und so einen Teil der verloren gegangenen Punkte zurückzugewinnen. Das motiviert Studierende stärker, sich ein zusätzliches Mal mit den Inhalten zu beschäftigen, die sie zunächst nicht verstanden haben. Durch effizientes Feedback bei der Auswertung schaffen sie dies zudem im Rahmen des normalen wöchentlichen Übungszyklus und können, wenn weiterhin Unklarheiten bestehen, diese in der folgenden Veranstaltung ansprechen. Einsatzmöglichkeiten dieses Szenarios zeigt das nebenstehende Video.
Beispiele:
- Testkomponente des LMS LON-CAPA im Bereich der MINT-Fächer an der Hochschule Ostfalia
- CASUS-System zur fallbasierten Ausbildung von Tiermedizinern an der TiHo Hannover
- EASy-Plattform im Informatikstudium an der WWU Münster [8]
Tests zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen
Die Übergänge von Szenarien zur Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen sind fließend, da einer Veranstaltung i.d.R. eine frühere Veranstaltung vorangegangen ist. Stellt ein Lehrender im Vorfeld Fragen zum kommenden Themengebiet, können sich die Studierenden bereits daran üben, während der Lehrende eine Rückmeldung erhält, welche Inhalte bereits bekannt sind und damit verkürzt behandelt werden können. Dieses Szenario versucht vorhandenes Vorwissen zu identifizieren und kann damit zur Planung und Steuerung der folgenden Veranstaltungen eingesetzt werden. Indem der Lehrende auf die so ermittelten Anforderungen eingeht, optimiert er gleichzeitig sein Zeitmanagement im Hinblick auf ein zu erwartendes Lernergebnis.
Direkte Rückmeldungen aus dem Hörsaal sind die konsequente Weiterentwicklung der im vorangehenden Abschnitt beschrieben elektronischen Übungsaufgaben. Sie ergibt sich aus der Anforderung, dass Lehrende bereits während einer laufenden Veranstaltung Feedback zum Verständnis einholen möchten. Auf diese Weise können sie direkt reagieren und nicht erst, wie im klassischen Übungsbetrieb üblich, in einer folgenden Veranstaltungen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, den Hörsaal mit entsprechenden Feedback-Technologien wie den sog. "Clickern" (auch Audience oder Classroom Response System genannt) auszustatten. Im einfachsten Fall erhält jeder Sitzplatz eine Abstimmungseinheit, die z.B. wie bei der Fernsehsendung "Wer wird Millionär" verschiedene Auswahlmöglichkeiten bietet. Der Lehrende kann dann Aufgabe und Antwortmöglichkeiten vorgeben und erhält die Zahl der abgegebenen Stimmen sowie das kumulierte Ergebnis auf einem Display. Ihr Einsatz wurden u.a. von [7] erprobt und beschrieben. Weitere Versuche, bei denen Studierende per Mobiltelefon über Bluetooth an einer Abstimmung teilnehmen konnten, die in eine Präsentation integriert war, wurden z.B. als Power Blue Classroom Quiz im Rahmen einer Vorlesung an der Uni Osnabrück vorgenommen. Weitere Beispiele für derartige Systeme sind:
- das Interactive Voting System, eingesetzt z.B. an der TU Clausthal
- das interaktive Befragungs- und Abstimmungssystem (ehem. mobiTED) der Firma IML
- das TED-System der Firma PowerVote, eingesetzt z.B. an der TiHo Hannover [9]
Die Erfahrung zeigt, dass Studierende insbesondere dann etwas lernen, wenn sie sich über den Lösungsweg mit anderen Studierenden austauschen. Dieses Vorgehen kann man unterstützen, indem z.B. die in einer vorangehenden Veranstaltung behandelten Inhalte gemeinsam in Form von Übungsaufgaben nachbereitet werden müssen. Hier kann die gewünschte Diskussion gefördert und ein einfacher Austausch von Ergebnissen erschwert werden, indem jeder Studierende eine individuelle Aufgabe erhält, deren Grundstruktur und Problemstellung mit anderen gleich ist, die sich aber durch z.B. andere Grundwerte für Berechnungen unterscheiden. Elektronische Unterstützung vereinfacht die Individualisierung entsprechender Aufgaben und durch Vorgabe einer zugehörigen Berechnungsvorschrift macht sie zudem eine effiziente automatische Auswertung der individuellen Lösungen möglich.
Gemeinsames Lernen
Sobald Lernende z.B. im Rahmen des Übungsbetriebs individuelle Aufgaben erhalten, ist ein einfacher Austausch der Ergebnisse mit anderen Lernenden nicht mehr möglich. Lernende sind auf diese Weise "gezwungen", sich mit den Inhalten und dem Lösungsweg der Aufgaben auseinander zu setzen. Aufgaben vom gleichen Typ, bei denen ein System den Lernenden automatisch unterschiedliche Grundwerte zuteilt, unterstützen dieses gemeinsame Lernen. Die Lernenden können untereinander zwar den Lösungsweg diskutieren, müssen ihn dann aber verstehen, um ihn für die eigenen Werte bei der individuellen Aufgabe einzusetzen. Das funktioniert insbesondere bei MINT-Fächern, da dort viele Berechnungsaufgaben vorkommen, deren Grundwerte per Zufall bestimmt werden können.
Zwischentests in Selbstlerneinheiten
Ein Sonderfall sind reine Selbstlerneinheiten, die z.B. bei Fernuniversitäten oder im Blended Learning der klassischen Hochschullehre auftreten. Sie können helfen, Inhalte zu vertiefen oder bestimmte Teilaspekte aus Vorlesungen auszulagern. Ein Zusatzangebot mit E-Learning-Modulen hat insbesondere zwei Vorteile. Auf der einen Seite sprechen die Lehrenden damit einen weiteren Aufnahmekanal an und erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit, dass Studierende die Inhalte verstehen. Auf der anderen Seite stehen Studierende beim Durcharbeiten nicht komplett alleine da, sondern werden durch die zugehörige Veranstaltungsreihe begleitet. Bei solchen Selbstlerneinheiten ist es sinnvoll, den Lernenden Feedback zu geben, welche Inhalte bereits verstanden bzw. erlernt wurden und wo noch Schwächen sind. Zu diesem Zweck können Zwischentests eingesetzt werden, die thematisch und didaktisch an einzelne Lerneinheiten gekoppelt sind und diese z.B. abschließen. So erscheint es sinnvoll, weiterführende Lerneinheiten erst bearbeiten zu lassen, wenn vorangehende Inhalte durchgearbeitet und verstanden wurden. Passende Zwischentests können also z.B. genutzt werden, um den Zugang zu folgenden Lerneinheiten freizuschalten. Neben den Studierenden erhalten zudem die Lehrenden bzw. Autoren der Lerneinheiten ein Feedback und können damit Problembereiche identifizieren, auf die dann z.B. im Rahmen einer begleitenden Veranstaltung verstärkt eingegangen werden muss oder die vertieft werden sollten.
Summative E-Prüfungen
Eine summative Prüfung dient der Feststellung von Wissen und/oder Können nach einem vorangegangenen Lehr-/Lernprozess. Sie erfolgt i.d.R. im Anschluss an eine in sich geschlossenen Lerneinheit und dient der Beurteilung des erzielten Lernerfolgs. Während formative Prüfungen bestehende Lücken oder Unsicherheiten identifizieren, die ein Lehrender dann ggf. durch Anpassung der Lehre auszugleichen versucht, geht es im summativen Fall um eine abschließende Einschätzung des erzielten Lernergebnisses. Ihr Einsatz ist z.B. als Klausur am Semesterende, als Zwischentests nach thematischen Einheiten oder als gestalterische Abschlussarbeit im Bereich der bildenden Künste vorstellbar. Durch die i.d.R. zugehörige Benotung kann eine summative Prüfung Einfluss auf den weiteren Studienverlauf haben, da sie z.B. im schlimmsten Fall bei mehrmaligem Scheitern ein Studium beendet. Eine Beteiligung von IKT erlaubt u.a. die Durchführung elektronischer Klausuren oder von Prüfungen auf Distanz. Die entsprechenden Szenarien sind nachfolgend näher erläutert.
Benotete elektronische Klausuren
E-Klausuren sind das elektronische Pendant zu schriftlichen Klausuren. Sie werden i.d.R. am Ende einer Veranstaltungsreihe zur summativen Leistungsbeurteilung eingesetzt. Den besonderen Reiz einer Verwendung von E-Klausuren macht die Möglichkeit aus, den Korrekturaufwand zu reduzieren und Ergebnisse zeitnah zur Verfügung zu stellen. Aufgrund ihrer Benotung oder ihrer Auswirkung auf die Vergabe von ECTS-Punkten können sie den weiteren Studienverlauf beeinflussen. So kann mehrmaliges Scheitern (je nach Prüfungsordnung) im schlimmsten Fall das erfolglose Ende eines Studiums bedeuten. Daher werden besondere Anforderungen bezogen auf Sicherheit und Nachvollziehbarkeit an E-Klausuren gestellt. Ihre Verwendung muss u.a. in den jeweils gültigen Prüfungsordnungen verankert sein. Voraussetzungen sind zudem eine verlässliche Technik und Studierende, die bereits den Umgang mit zugehörigen Systemen gewohnt sind, z.B. aus Probeklausuren oder im begleitenden Übungsbetrieb. Einige Standorte wie die Uni Bremen oder die Uni Duisburg/Essen haben Testcenter eingerichtet, in denen unter Begleitung von Technikern und Didaktikern entsprechende Prüfungen unter Aufsicht abgenommen werden können, die sich aber auch zu Übungszwecken einsetzen lassen.
Bei der Durchführung elektronischer Klausuren ist zu beachten, dass gleiche Voraussetzungen für alle Teilnehmer geschaffen sein müssen. Die Prüflinge können sich mit Hilfe ihres Lichtbild- und Studentenausweises identifizieren und für die Prüfung authentifizieren. Durch Eingabe von Anmeldedaten wie Login, Passwort und PIN/TAN schalten sie ihre Klausuren frei und ordnen sich diesen jeweils zu. Falls E-Klausuren nicht in den jeweiligen Prüfungsordnungen verankert wurden, kann Rechtssicherheit indirekt hergestellt werden, indem die elektronisch bearbeiteten Aufgaben am Ende ausgedruckt, von den erstellenden Studierenden unterschrieben und dann wie eine klassische schriftliche Prüfung gehandhabt werden.
Beispiele für Softwaresysteme, mit denen elektronische Klausuren durchgeführt werden, sind:
- Q-[kju:] der Firma Codiplan an der MH Hannover und der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover
- Virtuelles Prüfungssystem (ViPS) als Plugin des LMS Stud.IP an der Uni Osnabrück
- Prüfungskomponente Online eXam des LMS ILIAS an der Uni Mainz
- TestStudio der Firma LPLUS in den Testzentren der Unis Bremen und Duisburg/Essen
Ablauf
Wie eine elektronische Klausur im neu eingerichteten Prüfungscenter der Universität Duisburg/Essen ablaufen kann, wurde von Jörg Stratmann während eines Online-Podiums beschrieben:
- Beratungsgespräch
- Raumbuchung
- Softwareschulung
- Erstellen der Klausur
- Erstellen spezieller Medien
- Testen der Klausur
- Studierende melden sich zur Prüfung an/ab
- Lehrender erhält Excel-Liste mit Prüfungsteilnehmern
- Import der Teilnehmer in die Prüfungssoftware
- Tischkarten: Matrikelnummer und PIN
- Prüfungsdurchführung
- Sicherung der Antworten in einem PDF
- Bewertung der Klausuren in Prüfungssoftware
- Übergabe der Prüfungsergebnisse ans Prüfungsamt
- Import der Daten in Prüfungsverwaltungssoftware
- Klausureinsicht
Das Vorgehen im Prüfungscenter der Uni Bremen bei der Erstellung von Fragekatalogen mit den jeweils daran Beteiligten wurde bei einer Online-Schulung von Jens Bücking dargestellt:
Schritt | E-Learning-Service | Editoren | Autoren |
---|---|---|---|
Erstberatung | x | x | |
Festlegung Deadlines | x | ||
Schulung | x | x | |
Produktion Vorlagen | x | ||
Digitalisierung (TM-Editor) | x | ||
Lokale Kontrolle 1 | x | x | |
Lokale Kontrolle 2 | x | ||
Upload Erstversion | x | ||
Katalogtest (LTS) | x | x | |
Überarbeitung (TM-Editor) | x | ||
Upload Endversion | x | ||
Einstellungstest (LTS) | x | x | x |
Registrierung der Teilnehmer | x | ||
Zugangstest/Endabnahme | x | x | x |
Unterstützende Services
Existieren E-Learning- oder gar E-Prüfungs-Zentren an einer Hochschule, können diese die Durchführung elektronischer Klausuren unterstützen. Dafür bereitgestellte Services an der FU Berlin wurden von Nicolas Apostolopoulos während eines Online-Podiums aufgeführt:
Basic
- Raumbuchungen
- Gewährleisten der technischen Sicherheit
- Anlegen der Studierenden im System
Advanced (kostenpflichtig)
- Erstellen von Klausuren aus Rohdokumenten
- Anlegen der Studierenden im System
- Freischalten der Studierenden
- Bereitstellen von Matrikellisten zum Aushang am Fachbereich
- Bereitstellen eines pers. Ansprechpartners bei der Prüfung
- Bereitstellen von Matrikel-Notenlisten nach der Prüfung
Weitere Informationen sind in der Beschreibung des E-Examinations-Projekts der FU Berlin zu finden.
Prüfungen auf Distanz
Ein weiteres Szenario für den Einsatz von IKT sind benotete Prüfungen, die auf Distanz abgelegt oder beurteilt werden müssen. Hier existieren bisher nur indirekte Ansätze wie z.B. mündliche Prüfungen im Rahmen einer Videokonferenz zwischen Prüfling und Prüfendem. Schriftliche Prüfungen scheitern bislang an fehlenden Aufsichtsmöglichkeiten, ohne die eine Unsicherheit besteht, ob die getätigten Eingaben wirklich vom Prüfling stammen.
Ablegen einer Prüfungsleistung
Das Center für lebenslanges Lernen (C3L) der Universität Oldenburg bietet u.a. einen Studiengang Betriebswirtschaftslehre für Spitzensportler an, dessen Teilnehmer während ihres Studiums zwischen verschiedenen Trainingslagern weltweit hin und her reisen. Da sich die Zeiten der entfernten Aufenthalte mit den Prüfungszeiten überschneiden, wird hier eine Möglichkeit gesucht, IKT sinnvoll einzusetzen und mit ihrer Hilfe Prüfungen auf Distanz abzunehmen.
Beurteilung einer Prüfungsleistung
Auf der anderen Seite können sich aber auch die Prüfenden entfernt aufhalten. So beschäftigt die HBK Braunschweig zahlreiche Reiseprofessuren, die weltweit Veranstaltungen abhalten. Hinzu kommt, dass Abschlussarbeiten oder Prüfungsleistungen der bildenden Kunst (z.B. Bildhauerei, Malerei) i.d.R. über einen längeren Zeitraum angefertigt werden. Hier wird eine Möglichkeit gesucht, diese angefertigten Arbeiten angemessen z.B. online präsentieren zu können, so dass die Prüfenden die erbrachte Leistung trotz ihrer Entfernung möglichst vollständig und objektiv bewerten können.
Qualitätssicherung
Auch zur Qualitätssicherung können E-Prüfungssysteme eingesetzt werden, indem sie die Lernenden z.B. nicht nach Fakten sondern ihrer Zufriedenheit mit dem Unterricht oder nach Verbesserungsvorschlägen fragen. Auf der anderen Seite können entsprechende Systeme von den Lernenden aber auch zur gezielten Vorbereitung auf Prüfungen verwendet werden. Entsprechende Szenarien sind nachfolgend aufgeführt.
Lehrevaluationen
Lehrevaluationen stellen ebenfalls eine Form der Prüfung dar, nur dass in diesem speziellen Fall nicht nach Fakten oder Fertigkeiten gefragt wird, sondern nach der Zufriedenheit mit der Lehrveranstaltung sowie nach Verbesserungsvorschlägen. Siehe zu weiteren Informationen zu Lehrevaluationen z.B [10]. Die Durchführung von Lehrevaluationen ist durch die jeweiligen Hochschulrahmengesetze vorgeschrieben. Eine elektronische Erfassung und Auswertung der Antworten ist ebenso möglich wie bei anderen Typen elektronischer Prüfungen, i.d.R. werden Fragen vom Typ Likert-Skala verwendet. Ein standardisierter Fragebogen für sämtliche Lehrveranstaltungen, dessen Beantwortung die Entwicklung von Qualität bzw. Zufriedenheit der Lernenden im Laufe der Zeit nachvollziehbar macht, ist i.d.R. durch die Evaluationsordnung einer Hochschule vorgegeben.
Ein wesentliches Problem Papier-basierter Evaluationen ist die geringe Rücklaufquote. Durch elektronische Evaluationen und ihre Kopplung mit gleichzeitig stattfindenden E-Klausuren stellt daher z.B. die MHH sicher, dass sämtliche Studierende teilnehmen können und die Rücklaufquote kontinuierlich hoch ist. Dies ist bei rein Papier-basierten Formen nicht zwingend der Fall, da auch die Meinung der Studierenden in die Evaluation einfließen sollen, die die Veranstaltung schon nicht mehr besuchen. Rein elektronische Evaluationen z.B. über das LMS sind ebenfalls schwierig, da auf diese Weise insbesondere technik-begeisterte Studierende angesprochen werden. Durch Kopplung von Klausur und Evaluation kann man sicherstellen, dass sämtliche Studierende, die ein Modul bestehen wollen, auch die Möglichkeit zur Evaluation erhalten und gleichzeitig technisch damit umgehen können, da sie dies auch für die Klausur können müssen.
Beispiele für Systeme zur Unterstützung der Lehrevaluation:
- Einsatz von EvaSys an der TU Clausthal
Elektronische Klausurschränke
Eine Hilfe zur Vorbereitung auf Prüfungen sind elektronische Klausurschränke. Dabei handelt es sich um eine Sammlung bekannter Prüfungsfragen mit jeweils korrekten Antworten. Studierende tragen Fragen und Antworten z.B. per Gedächtnisprotokoll aus schriftlichen oder mündlichen Prüfungen zusammen und machen sie damit anderen Studierenden zur Prüfungsvorbereitung zugänglich. So können komplexe Sammlungen entstehen, die einen guten Einblick in das Themengebiet geben.
Wesentliches Merkmal (und von den Studierenden gewünscht) ist, dass Lehrende und Prüfer keinen Zugriff auf diese Klausurschränke erhalten. Auf diese Weise erhofft man sich eine möglichst hohe Wiederholrate bei möglichst geringer Veränderung. Lehrende haben damit auf der anderen Seite aber keine Gelegenheit, Feedback zu geben und so z.B. auf Defizite oder fehlerhafte Antworten hinzuweisen. Einen solchen elektronischen Klausurschrank stellt z.B. die Hochschule Ostfalia auf Basis des Dokumentenmanagementsystems Alfresco für ihre Studierenden zur Verfügung.
Beispiele:
- Elektronischer Klausurenschrank auf Basis des Dokumentenmanagementsystems Alfresco an der Hochschule Ostfalia (Zugriff nur für Studierende)
Progresstests
Regelmäßige Fragen zum Wissen des gesamten Studiums, häufig eingesetzt z.B. an medizinischen Hochschulen. Studierende bekommen auf diese Weise Feedback zum Fortschritt, den sie im Rahmen ihres Studiums machen - Lehrende/Studiendekanate können darüber identifizieren, in welchen Semestern es stärker bzw. weniger stark vorangeht und darauf aufbauend Ursachen suchen und analysieren. Typischerweise wird bei einem MC-Progresstest eine Antwortoption "weiß ich (noch) nicht" angeboten. Das am Ende ermittelte Verhältnis von falschen zu weiß-nicht-Antworten kann zudem Aufschluss über die Risikobereitschaft der Studierenden geben, die dann z.B. in Studienberatung einfließen kann.
Beispiele:
- Progress Test Medizin der Charité Berlin
Literaturnachweise
- ↑ Jan P. Ehlers, Torsten Carl, Karl-Heinz Windt, Daniel Möbs, Jürgen Rehage, Andrea Tipold: Blended Assessment: Mündliche und elektronische Prüfungen im klinischen Kontext , ZFHE Jg.4 / Nr.3 (Nov. 2009) Abstract
- ↑ Bernadette Dilger, Karl-Heinz Gerholz, Sebastian Klieber, Peter F. E. Sloane: Studentisches Self-Assessment. Instrumente zur Unterstützung der Studienwahl, ISBN: 978-3-933436-98-6, Eusl-Verlag, Paderborn, 2008
- ↑ Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium, Berlin, 2008, Download als PDF
- ↑ Jan P. Ehlers: Elektronische Prüfungen an der TiHo Hannover: diagnostisch, formativ und summativ, Vortrag im Rahmen des eAssessment-Specials auf e-teaching.org, Vortragsaufzeichnung
- ↑ Hans-Gerd Ridder, Hans-Jürgen Bruns, Stefan Brünn: Online- und Multimediainstrumente zur Kompetenzerfassung, QUEM-report, Schriften zur beruflichen Weiterbildung, Heft 86, ISSN: 0944-4092, Berlin, 2004, Download als PDF
- ↑ Kristof Kupka, Verena Müller, Joachim Diercks: Kombination von E-Assessment mit Web 2.0 Personalmarketing bei Media-Saturn, in: Andrea Back, Peter Baumgartner, Gabi Reinmann, Rolf Schulmeister (Hrsg.): zeitschrift für e-learning – lernkultur und bildungstechnologie, Themenheft E-Assessment, S. 62-75, Studienverlag, Innsbruck, 2010, Abstract
- ↑ 7,0 7,1 Gerd Kortemeyer, Peter Riegler: Large-Scale E-Assessments, Prüfungsvor- und -nachbereitung: Erfahrungen aus den USA und aus Deutschland, in: Andrea Back, Peter Baumgartner, Gabi Reinmann, Rolf Schulmeister (Hrsg.): zeitschrift für e-learning – lernkultur und bildungstechnologie, Themenheft E-Assessment, S. 8-22, Studienverlag, Innsbruck, 2010, Abstract
- ↑ Susanne Gruttmann, Herbert Kuchen: Computerunterstützter Übungsbetrieb im Informatikstudium - Prozessoptimierung durch E-Assessment-Systeme, in: Andrea Back, Peter Baumgartner, Gabi Reinmann, Rolf Schulmeister (Hrsg.): zeitschrift für e-learning – lernkultur und bildungstechnologie, Themenheft E-Assessment, S. 23-35, Studienverlag, Innsbruck, 2010, Abstract
- ↑ Jan P. Ehlers, D. Möbs, J.v.d. Esche, K. Blume, H. Bollwein, M. Halle: Einsatz von formativen, elektronischen Testsystemen in der Präsenzlehre , in: GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung, 27(4), Doc. 59, Volltext
- ↑ Heiner Rindermann: Lehrevaluation, ISBN: 978-3941320079, 2. Auflage, Verlag empirische Pädagogik, Landau, 2009