Aufgabentypen
Im Folgenden werden verschiedene Fragetypen mit zugehörigen Beispielen aufgelistet und ihre Besonderheiten beschrieben. Viele Prüfungstechnologien unterstützen i.d.R. die grundlegenden Fragetypen. Eine Gegenüberstellung verschiedener Open Source E-Prüfungssysteme mit den jeweils unterstützten Fragetypen findet sich z.B. hier. Die im Folgenden als geschlossenen Fragen beschriebenen Typen geben bereits mögliche Antworten vor, die vom Prüfling nur noch ausgewählt oder in eine passende Reihenfolge gebracht werden müssen (Wiedererkennens- und Selektionsleistung), während die offenen Fragen eine Reproduktionsleistung verlangen, da ein Prüfling zugehörige Antworten selbst erstellen muss. Als sonstige Fragen sind nachfolgend die Fragetypen eingeordnet, die über offene Fragen hinaus weitere multimediale Möglichkeiten nutzen.
Inhaltsverzeichnis
Geschlossene Fragen
Geschlossene Fragen geben verschiedene Antwortalternativen vor, die von einem Prüfling dann ausgewählt oder in eine korrekte Reihenfolge gebracht werden müssen. Der Prüfling erbringt auf diese Weise eine Wiedererkennens- und Selektionsleistung. Im Folgenden werden die Anordnungs und die Auswahlaufgabe unterschieden.
Anordnungsaufgabe
Bei der Anordnungsaufgabe werden eine Reihe verschiedener Elemente zur Verfügung gestellt, der ein Prüfling in eine bestimmte Reihenfolge bringen, sie einander zuzuordnen oder sie zueinander in Beziehung setzen soll. Das kann durch Drag&Drop-Verfahren gehen oder durch die Bereitstellung zugeordneter Auswahllisten und zugehörigen Positionsnummern. Je nachdem, wie die Elemente zugeordnet werden sollen, sind verschiedene Subtypen unterscheidbar.
Reihenfolge
Bei dieser Form der Anordnungsaufgabe müssen die bereitgestellten Elemente in eine geforderte Reihenfolge gebracht werden. Beispiele sind Schritte einer Methode, die der Reihne durchgeführt werden müssen, zeitliche Einordnung historischer Persönlichkeiten oder das Sortieren von Städten nach ihrer Einwohnerzahl.
Zuordnung
Handelt es sich hingegen um eine Zuordnungsaufgabe, stehen zwei Listen zur Verfügung, deren Elemente jeweils sinnhaft einander zuzuordnen sind. Beispiele für Zuordnungen sind Staatsoberhäupter zu Ländern, Eigenschaften zu Organen oder historische Fakten zu Jahreszahlen.
Beziehung
Auswahlaufgabe
Bei diesem Aufgabentyp werden zu einer Frage verschiedene Antworten vorgegeben. Der Prüfling hat die Aufgabe, die jeweils richtigen Antwortalternativen zu identifizieren und zu markieren. Entsprechende Alternativen können auch in Form von Abbildungen oder Formeln dargestellt werden. Falsche Antwortalternativen (Distraktoren) müssen jedoch plausibel sein, damit der Prüfling nicht durch bloßes Ausschließen unsinniger Möglichkeiten die richtige Antwort herleiten kann. Je mehr Antwortmöglichkeiten angeboten werden, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit für eine zufällig richtig ausgewählte Lösung.
Aufgrund eines Urteils vom OVG Nordrhein-Westfalen (Az. 14 A 2154/08) ist das Abziehen von Punkten für falsche Antworten nicht erlaubt bzw. rechtlich problematisch. Daher sollte man themenverwandte Bereiche zu einer Gesamtaufgabe zusammenziehen und diese als Einheit bewerten.
Einfachauswahlaufgabe (Single Choice, Forced Choice)
Ist nur eine der vorgegebenen Antwortalternativen korrekt, spricht man von einer Einfachauswahlaufgabe, auch Single Choice oder Forced Choice Aufgabe genannt. Im Spezialfall der True/False-Aufgabe stehen nur zwei Antwortmöglichkeiten zur Verfügung, nämlich "wahr" und "falsch". Hierbei muss der Prüfling entscheiden, ob eine vorab getätigte Aussage korrekt ist oder nicht. Problem dabei ist, dass aufgrund von nur zwei Antwortmöglichkeiten das zufällige Treffen/Raten der korrekten Lösung mit 50% Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist. Daher sollten True/False-Aufgaben mit weiteren Aufgaben eines anderen Typs kombiniert werden.
Likert-Skala
Eine Spezialisierung der Einfachauswahl ist die Likert-Skala, bei der eine bestimmte Reichweite vorgegeben wird (z.B. von 1=trifft voll zu bis 5=trifft überhaupt nicht zu), in der ein Prüfling einen bestimmten Sachverhalt einordnen soll. Entsprechende Fragetypen werden z.B. gerne in Evaluationen verwendet.
Mehrfachauswahlaufgabe (Multiple Choice)
Bei einer Mehrfachauswahlaufgabe oder Multiple Choice Aufgabe stehen mehrere markierbare Antwortalternativen zur Verfügung. Die Auswahlmöglichkeiten des Prüflings reichen hierbei von 0 (keine Antwort ist richtig) bis n (alle Aussagen sind korrekt).
"Bis auf kreative Leistungen lassen sich fast alle Lehrziele, auch solche auf einem hohen Lehrzielniveau (Verständnis, Anwendung), erfassen. Die besten psychologischen Tests (z.B. Intelligenztest) basieren fast ausschließlich auf dem Aufgabentyp Multiple-Choice. Neben seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten besticht die MC-Aufgabe durch ihre hohe Auswertungsobjektivität, womit sich dieser Aufgabentyp hervorragend für die maschinelle Auswertung eignet. [..] Die adäquate Konstruktion von MC-Aufgaben erfordert viel Zeit. Sie setzt zudem jede Menge Erfahrung in dem betreffenden Sachgebiet und der angemessenen Formulierung der Aufgaben voraus."[1]
Ziel der MC-Aufgaben ist es, dass wissende Studierende (im Sinne eines Könners) das mit der Aufgabe zu messende Lernziel beherrscht. während jemand, der dieses Ziel nicht beherrscht, diese Aufgabe falsch lösen soll.
Der Aufgabenstamm kann dabei als Frage formuliert werden oder als unvollständiger Satz, der durch die nachfolgend angegebenen Möglichkeiten vervollständigt werden kann. Gehen bestimmte Informationen voran, zu denen mehrere Fragen gestellt werden, handelt es sich um sog. interpretative exercises, mit deren Hilfe Aufgaben zu Lernzielen wie Anwenden, Analyse und Interpretation erstellt werden können. Einer entsprechenden Frage folgt eine Auswahl korrekter Antworten und fehlerhaften Alternativen (Distraktoren). Sie unterscheiden sich dadurch, dass zutreffende Antworten wahr (und damit alle Distraktoren falsch) sind (true answer form) oder die zutreffende Antwort die beste Auswahl unter allen Alternativen ist (best answer form).
Bei 4 Antwortoptionen liegt die Wahrscheinlichkeit, die richtige Antwort zu treffen, bei 25%. Da Studierende aber nicht nur als Zufallsgeneratoren funktionieren, sondern gewisses Wissen mitbringen, hängt die Qualität einer MC-Aufgabe insbesondere von der Wahl guter Distraktoren ab.
Hinweise für die Konstruktion von MC-Aufgaben:
- Gestalte jede Aufgabe so, daß ein wichtiges Lehrziel gemessen wird!
- Präsentiere im Aufgabenstamm ein einziges klar formuliertes Problem!
- Formuliere den Aufgabenstamm in einer einfachen und klaren Sprache!
- Packe so viele Wörter wie möglich in den Aufgabenstamm, wenn dadurch Wörter in den Antwortoptionen eingespart werden können!
- Formuliere den Aufgabenstamm positiv!
- Wenn eine negative Formulierung des Aufgabenstamms unvermeidlich ist, dann stelle die Negation unübersehbar heraus!
- Sorge dafür, dass die als korrekt bezeichnete Antwort auch tatsächlich die korrekte Antwort ist!
Vermieden werden sollten:
- Ähnlichkeiten von Wörtern im Aufgabenstamm und der korrekten Lösung
- Formulierung der korrekten Antwort "aus dem Lehrbuch" oder in stereotyper Phraseologie
- Umfangreichere Ausformulierung der korrekten Antwort.
- Absolute Begriffe wie "immer, niemals, alle, kein, nur" in den Distraktoren
- Die Beziehung der Antwortoptionen untereinander
Ratschläge für Distraktoren:
- Formuliere die Alternativen in der Sprache des Studenten
- Verwende gut klingende Worte (genau, wichtig, bedeutsam) in Distraktoren und korrekter Antwort.
- Distraktoren und korrekte Antwort sollten sich nicht in Komplexität und Satzlänge unterscheiden. Die Textlänge einer Alternative sollte keine Prognose auf ihre Richtigkeit zulassen.
- Verwende äußere Hinweise in den Distraktoren (z.B. ähnliche Worte wie im Aufgabenstamm, wissenschaftlich beeindruckende Aussagen, wohlklingende Passagen aus dem Lehrbuch usw.)
Beispiel: <quiz> { Markieren Sie alle Kanzler der Bundesrepublik Deutschland (bis zum 3.2.1997)! } - Stresemann - Heus + Adenauer + Erhard - Carstens + Kiesinger - Barzel - Gerstenmaier + Brandt + Schmidt + Kohl - Lafontaine </quiz>
Hot Spot Aufgabe
Eine Spezialisierung der Mehrfachauswahlaufgabe ist die Hot Spot Aufgabe. Hierbei geht es darum, gesuchte Bereiche (die sogenannten Hot Spots) auf einer vorgegebenen Abbildung zu markieren. Beispiele hierfür kommen aus der Medizin, wo auf diese Weise z.B. auffällige Strukturen auf Röntgenbilden identifiziert und gekennzeichnet werden können.
Key Feature
Key Features sind kritische Entscheidungen, die getroffen werden müssen, um z.B. ein klinisches Problem zu lösen. Ihr Schwerpunkt liegt dort, wo Prüflinge am wahrscheinlichsten Fehler machen. Sie fokussieren insbesondere auf Schwierigkeiten beim Erkennen und dem Umgang mit einem speziellen Problem aus der Praxis. Key Features beschreiben dazu knapp eine entsprechende Situation, der sich 3-5 Fragen anschließen. Nach [2] kann man mit ihrer Hilfe prozedurales Wissen prüfen, das in der Wissenspyramide nach Miller einen Schritt über dem deskriptiven Wissen liegt.
Typen von Antwortwahlaufgaben
Beispiele für die verschiedenen Typen von Antwortwahlaufgaben sind u.a. in Appendix A von Susan M. Case, David B. Swanson: Constructing Written Test Questions For the Basic and Clinical Sciences (Download als PDF) zu finden.
Typ | Name |
---|---|
A | Einfachauswahlaufgabe |
B | Zuordnungsaufgabe |
C | A/B/beide/keine-Aufgabe |
D | komplexe Zuordnungsaufgabe |
E | Verknüpfungsaufgabe |
H | Vergleichsaufgabe |
I | Abhängigkeitsaufgabe |
K | komplexe Richtig/Falsch‐Aufgabe |
K' | Kombinationsaufgabe |
R | erweiterte Zuordnungsaufgabe |
X | einfache Richtig/Falsch‐Aufgabe |
Pick N | Mehrfachauswahlaufgabe |
Offene Fragen
Offene Fragen verlangen vom Prüfling eine Reproduktionsleistung, bei der er sich i.d.R. nicht an vorgegebenen Antwortalternativen orientieren kann.
Freitext-Frage
Freitext-Fragen bieten einen offenen Eingabebereich für textbasierte Antworten an. Sie sind "vornehmlich angebracht, um die eigenständige Strukturierung, Organisation, Integration und Bewertung des Wissens sowie das Finden und Darstellen kreativer Ideen anzuregen bzw. zu überprüfen." [3] Sie können das Lernen fördern, da sie ein tieferes Verständnis für die Auseinandersetzung mit komplexen Themen verlangen. Je offener die zugehörige Frage formuliert wurde, umso schwieriger gestaltet sich die Auswertung der gegebenen Antworten. Eine maschinelle Auswertung ist z.B. nur im Sinne eines Schlagwortabgleichs möglich, aber nicht zwingend sinnvoll.
Lückentext-Frage
Die Lückentext-Frage (auch Short-Answer-Aufgabe genannt) ermöglicht eine freie Bearbeitung mit kurzen, prägnanten Antworten. Dabei handelt es sich i.d.R. um ein Wort oder eine Zahl. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass ein Raten möglicher Antwortalternativen (wie z.B. bei MC-Fragen möglich) entfällt. Nachteil hingegen ist, dass sich eine fehlerhafte Schreibweise negativ auf eine automatisierte Bewertung auswirken kann. [4] Hier kann man z.B. eine bestimmte Levensthein-Distanz als Toleranzangabe vorgeben, um korrekte Antworten trotz Flüchtigkeits- oder Rechtschreibfehler zu erkennen. Bei numerischen Aufgaben kann eine solche Fehlertoleranz in Form eines Wertebereichs eingestellt werden - immer natürlich unter der Bedingung, dass die zugrunde liegende Technologie entsprechende Maßnahmen zulässt. Lückentexte bestehen aus mehreren Short-Answer-Aufgaben. Beispiele für ihren Einsatz finden sich z.B. hier. Ein weiterer Einsatzbereich sind C-Tests, wie sie zur Einschätzung der Sprachfähigkeit in Sprachenzentren gerne eingesetzt werden.
Um Flüchtigkeits- oder Rechtschreibfehlern vorzubeugen, unterstützen einige Systeme die Angabe der Levenshtein-Distanz. Diese gibt die Zahl an Einfüge-, Lösch- und Ersetz-Operationen an, um die eingegebene Zeichenkette in die Vorgegebene zu überführen.
Numerische Frage
Zielbereich
Formel
Zufallswerte
Text-Teilmenge/Text-Box
Begrenzte Zahl an Lösungswörtern aus größerer Zahl richtiger Antworten ermitteln.
Sonstige Fragen
ImageMap-Frage
Java-Applet-Frage
Datei-Upload
Mündliche Antwort
Aufnahme über Mikrofon
Auswahl des Aufgabentyps
Hilfe bei der Zuordnung von Aufgabentypen zu Lernzielen gibt das E-Klausur-Wiki der Uni Gießen, aus dem die folgende Tabelle stammt:
Weitere Informationen zu Kompetenzerfassung, u.a. mit einer Gegenüberstellung verschiedener Antwortformate für Kompetenztests, ist z.B. bei [5] zu finden.
Häufigkeit
Obwohl der Trend zunächst zur Verwendung von Multiple-Choice-Fragen zur Überprüfung von Faktenwissen ging, da diese aufgrund vorgegebener Antworten eine vollständig automatisierbare und damit effiziente Auswertung zuließen, hat an der Universität Mainz, die seit 2004 benotete elektronische Klausuren durchführt, die Anzahl gestellter Lückentextfragen die Zahl der Multiple-Choice-Aufgaben inzwischen überholt, wie die folgende Abbildung zeigt.
Einzelnachweise
- ↑ Bernhard Jacobs: einfachen Multiple-Choice-Aufgaben nach Gronlund. Abgerufen am 21.03.2010.
- ↑ Veronika Kopp, Andreas Möltner, Martin R. Fischer: Key-Feature-Probleme zum Prüfen von prozeduralem Wissen: Ein Praxisleitfaden, in: GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung, ISSN 1860-3572, 23(3), 2006, Artikel als PDF (Abgerufen am 23.11.2010)
- ↑ Bernhard Jacobs: Ratschläge zur Konstruktion von Essay-Test-Aufgaben. Abgerufen am 20.03.2010.
- ↑ Bernhard Jacobs: Ratschläge zur Konstruktion von Short-Answer-Aufgaben. Abgerufen am 19.03.2010.
- ↑ Johannes Hartig, Eckhard Klieme: Möglichkeiten und Voraussetzungen technologiebasierter Kompetenzdiagnostik, Expertise im Auftrag des BMBF, Bildungsforschung Band 20, Bonn/Berlin, 2007, Download als PDF, Abgerufen am 21.06.2010